Um Kritik gut annehmen, aber auch üben zu können, ist eine klare Organisation nötig. Kennen alle ihre Rollen und agieren aus diesen Rollen heraus, schwindet die Gefahr, auf der persönlichen Ebene zu landen. Der Scrum Master sollte sich in diesem Sinne als Servant Leader begreifen: Er dient dem Team und dem Ziel, indem er die Mitarbeitenden in die Lage versetzt, sich selbst zu organisieren. Weder seine Rolle noch die der Kolleginnen und Kollegen ist in Stein gemeißelt. Sie wird projektweise festgelegt. Scrum Master Steve Trapps erzählt, er habe sich den Kopf zerbrochen, welche bekannten Servant Leader er vorstellen könne. Dass ihm keiner einfiel, sei kein Zufall: „So in searching for an example of a Servant Leader that people could relate to, I came to think of them as a black hole – You can’t actually pinpoint them as a separate entity but you can spot them by the effects they’re having on others around them.“
Der Servant Leader befähigt das Team, Entscheidungen dezentral zu treffen. Im Lead bleibt das gemeinsame Ziel, dem sich alle unterordnen. Bei dieser koordinierenden Art, Teams zu leiten, passt sich der Führungsstil dem jeweiligen Kontext an. Je nach der aktuell gefragten Kompetenz oder Fähigkeit können einzelne Mitglieder die Führung phasenweise übernehmen. Titel sind gut für Visitenkarten, sollten aber in Scrum Teams keine Rolle spielen. Auch Befindlichkeiten bleiben idealerweise außen vor. Diese sind bekanntlich so vielfältig wie wir Menschen: Die eine fühlt sich übersehen, der andere in eine exponierte Rolle gedrängt, in der er sich nicht wohl fühlt. Was herzlich gemeint ist, kann als Übergriffigkeit ankommen und so weiter und so fort.
Abbildung 1: Das Dramadreieck besteht aus Rettern, Tätern und Opfern.
Immer dasselbe Spiel: Drama Triangle
Verschiedene Dynamiken können sich negativ auf die Zusammenarbeit auswirken und zur Herausforderung werden: Läuft ein Projekt nicht gut, kommt es vor, dass sich die Teammitglieder in einer Spirale aus negativen Annahmen und Kommentaren gegenseitig immer weiter herunterziehen. Treten einzelne Mitarbeitende sehr dominant auf, besteht die Gefahr, dass sich andere zurückziehen und unter ihren Möglichkeiten bleiben, worunter die Performance leidet. Häufig ist auch die „Drama Triangle“ zu beobachten (siehe Abbildung 1). Wir alle kennen diese Dynamik: Kinder streiten sich und Erwachsene schreiten ein. Sie waren zwar nicht dabei, aber sie wissen ganz genau, wer Täter und wer Opfer ist, und nehmen für sich die Rolle des Retters in Anspruch. Fertig ist das Dramadreieck, eine Konstellation, in der Opfer, Täter und Retter/Helfer auf ihre Rollen festgelegt werden und diese mitunter selbst für sich in Anspruch nehmen: „Ich habe nichts gemacht.“ „Lass XY in Ruhe.“ „Wenn ich XY nicht ständig die Meinung sage, wird das nie was.“
Abbildung 2: Handlungsfähigkeit stärken: Aus Rettern werden Coaches, aus Opfern Gestalter und aus Tätern Herausforderer.
Wir ertappen uns in Projekten häufig selbst dabei, in die Rollen des Dramadreiecks zu schlüpfen, statt auf der Sachebene zu bleiben: Robert, der Retter, nimmt Peter, das Opfer, in Schutz, aber worum geht es eigentlich? Peter konnte seine Aufgabe nicht erledigen, weil ihm die anderen nicht zugehört haben, und Kerstin, die Täterin, hat weder für Robert noch für Peter Verständnis. Sie will einfach weiterkommen.
Im Laufe eines Projekts und im Team insgesamt können sich die Rollen ändern. Allerdings bleibt die Dynamik des Dramadreiecks immer negativ und gefährdet den Projekterfolg.
Autor David Emerald schuf mit The Empowerment Dynamic einen Gegenentwurf, der sich auf den Projekterfolg konzentriert (siehe Abbildung 2). Die Rollen, die uns allen nicht fremd sein dürften, entfalten eine positive Dynamik, die das Projekt voranbringt: Das Arbeitsergebnis des Gestalters (Opfer) wird wertgeschätzt. Der Herausforderer (Challenger, der Täter aus dem Dramadreieck) bringt das Projekt durch sein konstruktives Feedback weiter. Er ermöglicht dem Gestalter, sich weiterzuentwickeln. Der Coach (Retter) schließlich moderiert den Prozess und unterstützt den Gestalter, ohne ihn zu bevormunden. Feststehen sollte am Ende jeder Feedback-Runde, welchen Schritt das Scrum Team als nächstes geht. Das geht besser miteinander und möglichst ohne einen Elefanten im Raum.
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